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Quellensammlung

Rückzugsräume – Heterotopien der Muße

Pückler-Muskau: Vauxhall

6. Brief, den 12ten [Juli 1827]

„Gestern abends besah ich mir zum erstenmal Vauxhall, einen öffentlichen Garten, in dem Geschmack von Tivoli in Paris, aber weit glänzender und grandioser. Die Illumination mit Tausenden von Lampen in den brennendsten Farben ist ungemein prachtvoll. Besonders schön nahmen sich kolossale, unter den Bäumen aufgehangene Blumen-Buketts aus, wo die Blumen von roten, blauen, violetten und gelben Lampen, die Blätter und Stiele von grünen gebildet wurden, dann Kronleuchter von einem bunten türkischen Muster aller Nuancen, und ein Tempel für die Musik, von dem königlichen Wappen neben dem crest darüber gekrönt. Mehrere Triumphbögen waren nicht, wie sonst gewöhnlich, von Brettern aufgeführt, sondern transparent von Eisen gegossen, welches sie unendlich eleganter und dennoch ebenso reich erscheinen ließ.
Weiterhin breitet sich der Garten noch mit verschiedenen Abwechslungen und Darstellungen aus, wovon heute die merkwürdigste die der Schlacht von Waterloo war. Um 7 Uhr wird der Garten geöffnet. Allerorten gibt es verschiedene Darstellungen. Um 8 Uhr beginnt die Oper. Dieser folgen anderswo Seiltänzer, um 10 Uhr zum Schluß die erwähnte Schlacht von Waterloo. Dies Schauspiel ist sonderbar genug und die Täuschung wirklich in manchen Szenen sehr groß. Zum Schauplatz dient ein Teil des freien Gartens selbst, der mit uralten Kastanienbäumen, mit Gebüsch untermengt, besetzt ist. Zwischen vier der ersten, deren Laub so dicht ist, daß kaum der Himmel durchschimmern kann, war eine Tribüne mit Gradins für ungefähr 1200 Menschen errichtet, die wohl bis 40 Fuß Höhe hinanstieg. In einem furchtbaren Gedränge, nicht ohne einige empfindliche Stöße zu erhalten und auszuteilen, erreichten wir unseren Sitz. Es war eine warme, wunderliebliche Nacht. Der Mond schien äußerst hell und zeigte in einer Entfernung von ungefähr 50 Schritt zwischen zwei Riesenbäumen einen kolossalen Vorhang von rotem Zeug mit den vereinigten Wappen Großbritanniens bemalt. Hinter dem Vorhang ragten viele andere Baumgipfel, so weit man sehen konnte, hervor.“

Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Briefe eines Verstorbenen, hg. v. Heinz Ohff, Berlin 1986, 678f.
Kommentar
Wie viele zeitgenössische Reisende stellt auch Hermann Fürst von Pückler-Muskau in seinem berühmten Reisebericht das Londoner Vauxhall dar. Er hebt besonders die ästhetische und durch zahlreiche Illuminationen künstlich erzeugte Wirkung der Anlage hervor. Einen eindeutigen Schwerpunkt legt er auf die Schauspiele und Zerstreuungen, die den Abend über stattfinden. Mit einem Reenactment der Schlacht von Waterloo kommt dabei zudem eine nationalpolitische Komponente ins Spiel.
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