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Quellensammlung

Transgressionserfahrungen

Goethe: Neapel, zum 17. März [1787]: Muße in der Menge

„[...] Zwischen einer so unzählbaren und rastlos bewegten Menge durchzugehen ist gar merkwürdig und heilsam. Wie alles durcheinander strömt und doch jeder Einzelne Weg und Ziel findet. In so großer Gesellschaft und Bewegung fühlʼ ich mich erst recht still und einsam, jemehr die Straßen toben desto ruhiger werdʼ ich. [...]“

Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, hg. v. Christoph Michel/Hans-Georg Dewitz, Berlin 2011, 228.
Kommentar
Die wohl am stärksten ausgeprägte Form einer Transgressionserfahrung inmitten urbanen Trubels beschreibt Goethe in der Italienischen Reise aus Neapel. Sie gestaltet sich hier in Form einer coincidentia oppositorum. Eine unübersehbar große Menge, die rastlos in Bewegung ist, löst bei dem teilnehmenden Beobachter das gegenteilige Gefühl von Stille, Einsamkeit und Ruhe aus. Gerade weil er nicht in das Geschehen direkt involviert ist, kann er den Trubel mit einer inneren Distanz zur Kenntnis nehmen. So bewahrt oder gewinnt der Großstadtflaneur die Autonomie seines mußevollen Wahrnehmungsmodus.
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