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Quellensammlung

Raumzeitlichkeit urbaner Muße

Goethe: Rom, den 10. November 1786: Die Kunst des Sehens mit „Klarheit und Ruhe“

„Ich lebe nun hier mit einer Klarheit und Ruhe, von der ich lange kein Gefühl hatte. Meine Übung, alle Dinge wie sie sind zu sehen und abzulesen, meine Treue das Auge Licht sein zu lassen, meine völlige Entäußrung von aller Prätention, kommen mir einmal wieder recht zu statten und machen mich im Stillen höchst glücklich. Alle Tage ein neuer merkwürdiger Gegenstand, täglich frische, große, seltsame Bilder und ein Ganzes, das man sich lange denkt und träumt, nie mit der Einbildungskraft erreicht. [...]“

Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, hg. v. Christoph Michel/Hans-Georg Dewitz, Berlin 2011, 144.
Kommentar
In Rom inszeniert Goethe seine ‚Wiedergeburt‘ als Künstler. Es geht dabei um Selbstfindung, die als ein kathartischer Prozess beschrieben wird, der auf die raumzeitliche Struktur der Muße angewiesen ist. Das Exerzitium des Sehens verträgt alles, nur keine Hast. Zeit und Ruhe führen zur Klärung des eigenen Denkens. Äußere Anschauung und innere Betrachtung, Sehen und Denken, durchdringen sich wechselseitig – und das, idealiter, vor einem möglichst offenen Zeithorizont.
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