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Quellensammlung

Wahrnehmungsformen

Goethe: Rom, den 7. November [1786]: Kultivierung des Sehens

„Nun bin ich sieben Tage hier, und nach und nach tritt in meiner Seele der allgemeine Begriff dieser Stadt hervor. Wir gehn fleißig hin und wider, ich mache mir die Plane des alten und neuen Roms bekannt, betrachte die Ruinen, die Gebäude, besuche ein und die andere Villa, die größten Merkwürdigkeiten werden ganz langsam behandelt, ich tue nur die Augen auf, und sehʼ und gehʼ und komme wieder, denn man kann sich nur in Rom auf Rom vorbereiten.“

Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, hg. v. Christoph Michel/Hans-Georg Dewitz, Berlin 2011, 139.
Kommentar
In der nachträglichen literarischen Darstellung eignet sich Goethe erst in der kulturellen Metropole Rom jene exklusive Haltung an, die den Aufenthalt in der Ewigen Stadt grundsätzlich bestimmt. In Rom, so Goethes spätere Stilisierung, habe er die intensive iterative Betrachtung von Kunst kultiviert. In der tätigen Muße verdichten sich Entschleunigung („nach und nach“, „ganz langsam“), Intensität („fleißig“) und Iteration („komme wieder“) zu einem Prozess, der die Kunstbetrachtung zum Genuss werden lässt und damit auch zur ästhetischen Urteilskraft ausbildet.
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